Spiralige Bewegung als Erfahrung von Nähe und Weite
Selten lasse ich die Gelegenheit aus, einen Kirchturm oder einen Aussichtturm zu besteigen. Ich lasse mich entlang der Wendeltreppe in die Höhe ziehen, um oben angekommen den Rundblick über die
Stadt zu geniessen.
Beim Hochsteigen bin ich ganz nah beim stützenden Mittelpfeiler, werde etwas klein gedrückt, wenn es drehend nach oben geht, und ich in dieser Enge nicht weiss wie lang der Aufstieg noch dauern
wird.
Nah am Zentrum, entlang der Mittelsäule führen die wendeligen Treppenstufen spiralförmig nach oben und danach auch wieder nach unten. Es war beim Bauen kein Platz für eine breite Treppe
vorhanden.
Oben auf der Plattform angekommen entschwebt mir es ein spontanes, befreites «Ah …» oder ein bewunderndes «Oh …», ein «Juhu!» – ich atme tief durch und geniesse den Rundblick.
Und manchmal, in einem alten Palais, bei etwas weiter gebauten Treppenhäusern wird der Blick der Schraube entlang nach unten gezogen; hinein ins Treppen-Schneckenhaus.
Dieses Bild nehme ich gerne mit in die Feldenkrais-Stunde, und erprobe hier körperlich die «wendelige» Bewegung, spüre dem Drehen und Verdrehen
nach.
Unsere Wirbelsäule als Verbindung zwischen Kreuzbein und Kopf hat die Fähigkeit, sich in jede Richtung zu bewegen – so ist sie eine Art «Wendeltreppe».
Kettenartig reiht sich Wirbelkörper an Wirbelkörper. Jeder Wirbel mit dem Vermögen sich drehen, beugen, strecken und neigen zu können und uns beim Loslassen den Raum um uns herum zu
erschliessen.
So verdrehen wir uns in der Feldenkrais-Stunde entlang dieser wirbeligen Mittelachse, fühlen uns dabei nah am Zentrum und tief bei uns.
Lassen wir das Verdrehen los, liegen wir freier da, spüren grössere Räume in uns und um uns herum. Stehen wir danach auf, schauen wir leichter in die Runde
… und beim nächsten Einfädeln auf der Autobahn haben wir freiere Sicht und ein besseres Gefühl für Geschwindigkeiten.