Februar 2022

Über Stillsein und Ruhen 

 
Warum legen wir uns am Beginn einer Feldenkrais-Stunde so gerne auf unsere Matte auf den Boden?
Was macht den Zauber aus, der diesem Verlangen zugrunde liegt? Das Liegen und Ruhen gleicht wohl dem abendlichen Zubettgehen; aber wir kommen ja in der Feldenkrais-Stunde nicht zum Schlafen! Im Gegenteil: uns erwartet Bewegung!

Wir haben die bewegte Zeit des täglichen Tuns hinter uns, sei dies am Abend nach einem Tag voller Begebenheiten, sei es am Vormittag, wenn vielleicht eine Nacht mit bewegten Träumen hinter uns liegt.
Wir legen uns hin und suchen Ruhe.
Wir lassen Stille einkehren.
Wir nehmen Kontakt auf mit der Bodenfläche unter unserem Körper, lassen uns von dieser Fläche tragen.

Was passiert in diesen Momenten, wenn wir den Kontakt zum Boden erlauben?
Wir werden still, erspüren in dieser Lautlosigkeit den Boden. Mit unseren Sinnen gehen wir der sanften Bewegung nach, wir lauschen unserem Atmen, berühren die Fläche unter uns und lassen uns von ihr berühren. Dieses Spüren schenkt uns das ruhige Aufgehoben sein, bereitet einen Ort der Sicherheit. Und gleichzeitig werden wir anwesend mit all unseren Sinnen und kommen wir zur Ruhe.

Würde uns jemand mit lauter Stimme zur Ruhe mahnen, wir würden erstarren und wären zu keiner Bewegung fähig. Jede Faser unseres Körpers würde sich zusammenziehen wie bei einer gereizten Mimose.
Und geben wir uns selber den Befehl, jetzt endlich auszuruhen und still zu sein passiert dasselbe; wir erstarren, vergessen den Raum um uns herum und spüren uns selber nicht.

Wir kehren also zurück in die Pause, lasse die Gedanken frei schweifen, denn abstellen können wir sie nicht.
Wir kehren zurück zum Nichtstun, in den zauberhaften Moment, wo wir Bewegung und Antrieb von aussen sein lassen.

Es ist der Moment des Innehaltens, wo wir uns selber gewahr werden können.

Was ist das doch für ein herrlicher Moment mitten in der Nacht aufzuwachen und die Stille wahrzunehmen. Wir lauschen in die Nacht, sind einerseits ohne Bewegung und doch «ganz Ohr» und aufnahmefähig für diese wahrlich erhebende Stille.

Und wie wir doch diese Momente lieben! Sie geben uns die notwendige Energie. Was wir getan haben lassen wir nachklingen und werden bereit für Neues.

Es ist still in dem Moment, wenn ich dieses schreibe; ich bin in der notwendigen Konzentration. Ich bin wach und offen für meine Gedanken, die als Worte und Sätze Gestalt bekommen.
Stille ist die Grundbedingung dafür.

In einer Bibliothek ist Stille geboten, um die Konzentration zum Lesen nicht zu stören. In diesem Zustand ist das Gehirn fähig zu intensivem Denken und zum Lernen.
Und es sind immer wieder kleine Pausen geboten, in denen sich das Gehirn erfrischt.

In einer Feldenkrais-Stunde kommen wir immer wieder zur Pause zurück, lassen Stille und Ruhe einkehren, damit das Nervensystem sich erholen kann und bereit ist, das Kommende aufzunehmen.

Stille ist auch die Voraussetzung für Ent-Spannung; es ist dieses Ruhen in sich mit dem sicheren Gefühl frisch zu werden und danach etwas anderes angehen zu können.