Mai 2022

«Bewegtes Atmen – atmendes Bewegen»

 

Bücher über das Atmen füllen Regale. Was in aller Welt soll in den folgenden Zeilen diesem schwierigen Thema noch hinzufügt werden!

 

Vielleicht besteht der Wunsch, das Atmen zu verbessern. Wie kann das geschehen?
Vielleicht gibt es die Vorstellung, nicht gut zu atmen. Was kann ich dafür tun?
Und vielleicht können die folgenden Gedanken das Thema etwas klären helfen.

 

Nun, atmen passiert immer, ob ich wach bin oder schlafe, atmen hört erst auf, wenn das Leben aufhört.
Atmen ist Leben!

 

Das Atmen ist per se Bewegung beim Wechsel zwischen dem nährenden Einatmen und dem befreienden Ausatmen.
Der Atem fliesst oder stockt, je nachdem was mich bewegt. Das Atmen erfüllt mich tief und umfassend oder das Atmen ist leise und flach.
Die Bewegung des Atmens ist immer da.

 

Die Vorstellung, ohne Bewegung zu sein ist genauso erschreckend wie atemlos zu sein.

Gehen wir davon aus, dass die Art und Weise wie das Atmen passiert, zusammenhängt mit der Art und Weise wie Bewegung passiert.
Und nicht nur das, die emotionale Verfassung beeinflusst ebenfalls das Atmen.

 

Da sind zwei Dinge angesprochen:

Wie ich mich bewege und das was mich bewegt!

Ich bewege mich verschieden, je nachdem was ich tue – und im besten Fall ist mein Atmen mit meiner Bewegung koordiniert. Wenn ich Sport mache atme ich so wie es zum Sport passt und das ist wahrscheinlich beim Spielen eines Instruments oder wenn ich singe oder einen Vortrag halte. Verschieden ist es beim Spazierengehen und beim Bergsteigen, beim Stricken oder bei der Arbeit an der Werkbank. Und meine ganz gewöhnliche und gewohnte Hausarbeit kann in ihrer Bewegung und Atmung sehr unterschiedlich sein.

Das Atmen passiert auch unterschiedlich, wenn ich Musik höre, wenn ich fröhlich oder traurig bin. Wenn ich an einen lieben Menschen denke, bewegt sich meine Atmung anders als wenn ich daran denke, dass ich dringend etwas Unangenehmes erledigen muss …   und bei einem Wutanfall kommt meistens noch die körperliche Bewegung dazu!
Im ruhigen Schlaf fliesst meine Atmung weiter, flacher zwar; beim Träumen jedoch verändert sich das Atmen.

 

Bei all diesem Geschehen passiert das Atmen ob ich das will oder nicht, unterschiedlich zwar, unregelmässig vielleicht, aber es passiert, sofern ich es passieren lasse.

Die Atmung willentlich zu verändern ist möglich, aber die Gefahr ist gross, dabei das richtige Mass zu verlieren.

Die andere Nachricht ist die, dass wir mit unserer Bewegung unsere Atmung beeinflussen können.
Als menschliches Wesen haben wir die Möglichkeit, unsere Bewegung aktiv zu gestalten, wir können die eigene Bewegung beobachten, wir können lernen sie zu verändern und zu verbessern.
Zudem haben wir Menschen die Fähigkeit, durch Achtsamkeit mit unseren Gefühlen zu arbeiten. Dadurch verändert sich das Atmen ebenfalls und zwar von selbst.

Vielleicht ist alles doch einfacher als wir es uns bei dem schwierigen Thema vorgestellt haben.

Dazu ein Wort von Dore Jacobs (1894–1979) – aus ihrem Buch «Bewegungsbildung ist Menschenbildung»:
Dazu ist eins vor allem notwendig: zu wissen, dass es «die richtige Bewegung» nicht gibt. Es gibt freilich Bewegungsfehler, die deutlich erkennbar und sichtbar falsch sind. Aber das Richtige ist nicht eines, sonders es ist ein Vielfältiges, Wandelbares. (S. 85)

Was wir aus dem obigen Zitat auch noch erfahren ist, dass es die «richtige» Bewegung nicht gibt. Und wir können daraus folgern, dass es auch die «richtige» Atmung nicht gibt.
Es gibt aber die an die Bewegung angepasste Atmung, die «atmende Bewegung» oder eben «die bewegte Atmung».
So wird die Sache vielleicht weiterhin entspannter.

Bei all unserem Tun und Fühlen können wir unseren Atem begleitend mit auf die Reise nehmen.
So wie die körperliche Bewegung vielfältiger wird, wird auch der Atem tiefer und reicher.

Es ist vielleicht doch einfacher, den Atem zu verändern und zu verbessern. Atem braucht Bewegung, ist selber mit seinem EIN und AUS Bewegung.

Wie bei jeder Kunst braucht es auch Übung und hingebungsvolles Tun – lassen wir uns also darauf ein und lassen uns in Richtung Leichtigkeit verzaubern … es wird sich vieles verändern!